VersaCommerce Team
Schaufeln sich die großen Markenartikler mit ihren Marktplatzverboten und immer neuen Schikanen gegen den Online-Handel sehenden Auges ihr eigenes Grab? Nehmen Marken ein Massensterben von Online-Shops billigend oder gar freudig in Kauf? Es sieht ganz so aus. Das ist weder klug noch legal
Alarm im Online-Handel! Die Existenz Tausender Webshops im In- und Ausland ist bedroht. Warum? Weil sie von wettbewerbswidrigen Praktiken großer Markenartikelhersteller betroffen sind. Nach Erkenntnissen des Bundesverbandes Onlinehandel (BVOH)beklagen sich nahezu 50 Prozent der deutschen Händler über Umsatzverluste durch Herstellerbeschränkungen. Das ist das Ergebnis einer von „Choice in eCommerce – der Initiative für Vielfalt und Innovation im Onlinehandel“ durchgeführten Umfrage. Vor allem die Verbote vieler Markenartikler, deren Produkte auf Online-Marktplätzen zu verkaufen, nehmen zwölf Prozent der befragten Onlinehändler den wichtigsten Vertriebskanal. Ist das Gebaren der Markenartikler rechtskonform? Ist es klug? Von mir kommt ein entschiedenes Doppel-Nein!
Das von den Marken am häufigsten ins Feld geführte Argument lautet, dass ihre Artikel auf Marktplätzen oder in Online-Shops nicht entsprechend ihrer hohen Wertigkeit dargestellt werden, was negative Auswirkungen auf die eigenen Marken habe. Netter Versuch! Das sehen die unabhängigen Behörden aber deutlich anders. Beispiel ASICS, in Deutschland Marktführer bei Laufschuhen: ASICS hat versucht, seine Vertragshändler im Rahmen eines so genannten „Selektivvertriebs“ nach strengen Qualitätskriterien nach eigenem Gutdünken auszuwählen.
Hersteller von Markenprodukten genießen nach deutschem und europäischem Wettbewerbsrecht weitreichende Handlungsspielräume, um einen Qualitätsstandard beim Vertrieb ihrer Produkte zu gewährleisten und ihren Vertragshändlern entsprechende Vorgaben zu machen. Derartige Maßnahmen dürfen aber keineswegs – und das übersehen die Markenartikler sehr gerne – dazu führen, dass kleine und mittlere Händler darin beschränkt werden, die Produkte auch über das Internet vertreiben zu können. Es besteht dabei nämlich die Gefahr, dass den Verbrauchern die Vorteile des Nebeneinanders von stationärem Verkauf und Internetvertrieb durch Vertriebsbeschränkungen vorenthalten werden. Wer will das?
Da wünscht man sich eigentlich nur, dass ASICS sich langsam auf die Bedeutung seines eigenen Markennamens besinnen möge. Denn das Akronym ASICS steht für Anima Sana In Corpore Sano – ein gesunder Geist in einem gesunden Körper.
Folgerichtig wurde unser Beispielfall ASICS, eine vollständige Liste der aktuell renitenten Markenartikler findet ihr hier, vom Bundeskartellamt in Person des Präsidenten Andreas Mundt wie folgt bewertet:
Beim sich dynamisch entwickelnden Internethandel müssen wir darauf achten, den Interessen der Hersteller gerecht zu werden und gleichzeitig Märkte und Chancen zugunsten von Händlern und Verbrauchern offen zu halten. Wenn Hersteller ihren Vertragshändlern verbieten, Preisvergleichsmaschinen und Verkaufsportale zu nutzen oder die Verwendung der jeweiligen Markenzeichen für eigene Suchmaschinenwerbung ausgeschlossen wird, kann der Verbraucher gerade die kleineren Händler im Internet de facto nicht mehr finden. Viele Hersteller von Sportschuhen – so mittlerweile auch ASICS – haben eigene Online-Shops etabliert. Sie kooperieren mit großen Marktplätzen wie Amazon. Wenn diese Hersteller gleichzeitig weitreichende Internetbeschränkungen gegenüber ihren überwiegend kleinen Händlern durchsetzen, wird sich das Online-Geschäft letztlich auf die Hersteller selbst und einige große Händler bzw. marktführende Marktplätze konzentrieren.
Diese Entscheidung aus dem Jahr 2015 hört sich eindeutig an, oder? Aber hat sie wirklich etwas bewirkt? Ich fürchte: Nein!
Mir drängt sich der unschöne Verdacht auf, dass die in Rede stehenden großen und finanzstarken Marken eine infame Strategie verfolgen. Sie planen wohl, mit Hilfe ihrer gewaltigen Rechtsabteilungen und immensen finanziellen Mitteln, die in beiden Kategorien weit weniger prall ausgestatteten Online-Shops durch alle Instanzen in Grund und Boden zu prozessieren und hoffen insgeheim aber sehr berechnend darauf, dass diese auf diesem unendlichen juristischen Weg finanziell und nervlich ausbluten und aufgeben. Wie wäre die renitente Haltung vieler Markenartikler vor dem Hintergrund der bislang ergangenen Urteile sonst zu erklären? Das ist - mit Verlaub - Gutsherrenart!
Ich habe durchaus Verständnis für den Wunsch von Herstellern etablierter Marken, ihre Produkte in einem wertigen Umfeld präsentiert zu sehen. Jedoch erscheint mir – wie fast immer im Leben – ein konstruktiver Dialog hier der deutlich zielführendere Weg zu sein, als rigorose Verbote. Angesichts der rapide zunehmenden Bedeutung des Online-Handels ist der Verbotsweg mit der juristischen Keule in der Hand nebenbei bemerkt auch mit großer Wahrscheinlichkeit nicht allzu klug. Es könnte meines Erachtens durchaus sein, dass die Markenartikler hier mittelfristig am eigenen Grab schaufeln.
Der aus den Restriktionen der Markenhersteller entstandene Flurschaden bei den Shops ist ja bereits durchaus greifbar. Mehr als 10.000 Unternehmen mussten bereits Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen, so eine BVOH-Schätzung.
Mein Appell an die Markenartikler lautet: Kommt endlich herunter von Eurem hohen Ross und sucht mit dem Vertriebskanal Online – seien es nun einzelne Shops oder Marktplätze – nach vernünftigen Lösungen, die allen nutzen! Davon werden die Markenhersteller selber, die Online-Shops und -Marktplätze sowie die Verbraucher profitieren. Kann doch nicht so schwer sein ... oder?