Dr. Katja Flinzner

„Es war keiner zu Hause“: Paketboxen und andere Ersatznachbarn

Ihr kauft gerne online ein, seid aber häufiger nicht zu Hause? Wo kommen dann eure Bestellungen an? Wir haben uns die unterschiedlichsten Zusatzservices für die stressfreie Paketannahme näher angeschaut – vom Paketkasten bis hin zum Zustellkurier

„Es war keiner zu Hause“: Paketboxen und andere Ersatznachbarn

In unserer Logistik-Reihe haben wir uns vor kurzem mit den Zusatzservices beschäftigt, mit denen Paketdienste wie DHL, DPD und Hermes ihren Service verbessern und die Zustellung für den Kunden komfortabler machen wollen. Dass das häufig nur mäßig funktioniert, war eines der Ergebnisse unserer Recherchen. Besonders schwierig wird es ganz offensichtlich dann, wenn auch die Motivation der Zusteller nicht stimmt und diese lieber direkt Abholzettel in den Briefkasten werfen anstatt die Treppen zur 4. Etage hochzulaufen. Auch hier sind natürlich die Logistik-Dienstleister gefragt, die Arbeitsbedingungen ihrer Mitarbeiter so zu gestalten, dass diese sowohl die Zeit als auch die Motivation haben, ihren Job konsequent und kundenorientiert zu machen.

Das Dilemma: Die letzte „Meile“ für den Zusteller

Dass die letzten Meter der Paketzustellung im Online- und Versandhandelsprozess immer noch das größte Problem darstellen, ist keine neue Erkenntnis. Und so verwundert es nicht, dass auf dieser Erkenntnis aufbauend das ein oder andere Geschäftsmodell entstanden ist. Wenn der Logistik-Dienstleister den direkten Draht zum Kunden nicht hinbekommt, muss da wohl noch jemand nachhelfen. Und wenn es nicht der Nachbar ist, dann braucht’s vielleicht einen anderen Zwischenschritt. Oder ein Hilfsmittel. Ersatznachbarn eben.

Paketshops sind auch nicht das Wahre

Die offensichtlichste Lösung für Berufstätige, die tagsüber nicht zu Hause sind, und bei denen eine Lieferung an den Arbeitsplatz nicht in Frage kommt, ist ein Paketshop. Die Möglichkeit, Pakete nicht nach Hause, sondern in den nächstgelegenen Paketshop oder an die Packstation liefern zu lassen, bieten inzwischen die meisten großen Paketdienste. Besonders komfortabel ist das aber nicht, wenn man für jedes Paket dann doch wieder an der Post, am Kiosk oder an der Reinigung vorbeifahren muss. Schließlich hat nicht jeder den passenden Paketshop direkt um die Ecke. Und was, wenn der Kiosk in der nächsten Straße zwar ein DPD-Paketshop ist, der Online-Shop, bei dem ich eingekauft habe, aber nur mit DHL versendet?

Ein Lichtblick: Lockbox

Ideal wäre also eine Lösung, die unabhängig vom ausliefernden Unternehmen für alle Pakete funktioniert. Das dachten sich auch die Erfinder der Lockbox. Sie wollten ihren Päckchen nicht mehr hinterherlaufen und haben im vergangenen Jahr ein System entwickelt, mit dem alle Lieferungen vor der Wohnungstür abgestellt werden können. Wer Lockbox nutzen möchte, registriert sich und bekommt zunächst kostenlos einen „Anker“ für seine Wohnungstür und eine Lockbox-Adresse. Wenn er online etwas bestellt, bringt ein Lockbox-Kurier die Bestellung in einer passenden Box bis an die Wohnungstür und schließt sie dort mit einem Stahlseil an. Abgenommen werden kann das Stahlseil nach dem Öffnen der Tür auch ohne Schlüssel oder Code. Der Nachteil: Lockbox ist nur in entsprechenden Partnershops kostenlos, für alle anderen Bestellungen kostet der Service derzeit 2,90 EUR. Verständlicherweise, denn schließlich muss sich extra ein Kurier auf den Weg machen und die an Lockbox zugestellten Pakete an die eigentlichen Empfänger ausliefern. Da dafür der Aufbau eines entsprechenden Kuriernetzes nötig ist, gibt es Lockbox aktuell auch nur in Berlin. Als nächste Großstadt ist Hamburg im Visier der Gründer.


Das Miet-Modell: Locumi

Ganz ohne regionale Einschränkung – innerhalb Deutschlands – funktioniert Locumi. Das System der Gründer Christoph Baumeister und Daniel Jahn basiert auf einer ausklappbaren Filztasche, die direkt an der Tür angebracht wird. Damit umgeht sie immerhin bereits eines der möglichen Lockbox-Probleme, nämlich dass die Kiste mit den Bestellungen den Flur versperrt und zur Stolperfalle wird. Auch hier muss allerdings, genau wie übrigens bei der Lockbox, der Paketbote erstmal in den Hausflur kommen. Damit Locumi funktioniert, muss man bei der Registrierung entsprechende Abstellgenehmigungen für die gewünschten Paketdienste erteilen. Die Zusteller werden dann auf ihrem Tablet über die Abstellgenehmigung informiert und wissen angeblich, wie sie das Paket in der montierten Tasche hinterlegen und sichern können. Hmmm. An dieser Stelle der Beschreibung ist wohl ein wenig Zweifel erlaubt, denn häufig ist ja schon das Wissen der Zusteller über die eigenen Services nur mäßig ausgeprägt – ob tatsächlich jeder Paketbote mit dem noch nicht allzu weit verbreiteten Locumi-System vertraut ist, bleibt fraglich. Nun denn, bei entsprechendem Erfolg des Konzepts wird sich das mit der Zeit hoffentlich ändern – immerhin müssen hierfür nicht wieder neue Kurierfahrer durch die Stadt fahren, was naturgemäß Verzögerungen und im Zweifel neue Risiken mit sich bringt. So richtig lohnen dürfte sich Locumi allerdings nur für Vielbesteller, denn die Pakettasche ist nicht ganz billig. Sie kostet derzeit entweder einmalig 129 EUR oder monatlich 9,90 EUR Mietpreis. Wer bislang zweimal pro Woche am Postschalter Schlange stand, wird das gerne bezahlen – für Gelegenheitsbesteller wird sich die Investition nicht wirklich lohnen. Ach so: Bei der Bestellung sollte man ein wenig auf das Gewicht achten, die Tasche von Locumi trägt maximal 10 kg.


Und der DHL-Paketkasten?

Während Locumi und Lockbox hauptsächlich auf Mehrfamilienhäuser zugeschnitten sind, richtet sich der seit Juni 2014 auch für Privatleute verfügbare DHL-Paketkasten in erster Linie an Eigenheimbesitzer. Denn weder die Box zur Wandmontage noch die freistehende Variante dürfte sich für Mietwohnungen eignen. Der größte Nachteil: Die Box kann – wie der Name schon sagt – nur für DHL-Lieferungen genutzt werden. Den noch immer recht großen Vorsprung von DHL auf dem deutschen Logistikmarkt hat die Branche im vergangenen Jahr zum Anlass genommen, für eine Freigabe der DHL-Paketkästen für alle Paketdienste zu kämpfen. Ob diese Initiative von Erfolg gekrönt sein wird, bleibt fraglich – und ob es sich lohnt, auch. Denn mal abgesehen von der insgesamt doch recht mäßigen Verbreitung der Kästen scheint deren Alltagstauglichkeit auch noch Optimierungspotenzial zu haben: Wenn der Paketbote trotzdem klingeln muss, weil der Schlüssel für den Paketkasten nicht funktioniert, kommt beim Kunden schnell Frust auf…

Markt im Aufschwung: Wer löst als erstes das Problem?

Habt ihr’s gemerkt? Alle bislang vorgestellten Lösungen sind gerade mal wenige Monate alt – der Markt für Zustelllösungen ist also in voller Bewegung und dürfte noch ziemlich spannend werden. Jede Menge weiterer Anbieter haben ihre Produkte bereits angekündigt und drängen auf den Markt: ParcelHome etwa möchte in Zukunft Paketboxen mit digital gesteuertem Schloss anbieten, der etwas sperrig wirkende Paketbutler befindet sich gerade in der Testphase und hat immerhin so große Namen wie DHL und Zalando an seiner Seite. Mypaketkasten ist etwas für anspruchsvolle Hausbesitzer mit dickem Portemonnaie, die SesamBox involviert für optimierte Sicherheit auch den Shopbetreiber in den Prozess und und und… Ideen und Konzepte für die unterschiedlichsten Paketboxen gibt es wie Sand am Meer.


Mypaketkasten

Für's etwas dickere Portemonnaie gibt's Mypaketkasten... | Screenshot: mypaketkasten.de


Mobile Lösung: Kofferraum statt Haustür?

Einer der größten Nachteile aller Paketbox-Lösungen ist zweifellos die Sicherheit: Mit etwas krimineller Energie sind Filztaschen schnell aufgeschlitzt oder Stahlseile durchtrennt. Was Lösungen wie die von Locumi oder Lockbox tatsächlich fast ausschließlich in Mehrfamilienhäusern interessant macht, in denen der Kreis derjenigen, die von einer frischen Lieferung Wind bekommen, naturgemäß geringer ist. Aber allein schon das dumme Gefühl, dass man beim Unterschreiben einer Abstellgenehmigung den Logistikdienstleister von der Haftung für den Verbleib des gerade bestellten Tablets entbindet, dürfte den ein oder anderen Online-Shopper vom Umstieg auf Ersatznachbarn abhalten.

Die optimale Lösung hat also noch niemand gefunden, kein Wunder, dass weiter gesucht wird. Und dabei die kuriosesten Ideen herauskommen. Volvo beispielsweise arbeitet derzeit an einem Zustelldienst, der Pakete nicht an Haustüren oder Paketboxen, sondern an Kofferräume zustellt. Immerhin sind die etwas schwieriger zu knacken…

Und wie löst ihr das Problem? Habt ihr schon eine der verschiedenen Paketbox-Lösungen ausprobiert? Lasst ihr euch eure Pakete ins Büro liefern? Oder habt ihr nette Nachbarn, die Pakete für euch annehmen? Wir freuen uns über eure Erfahrungen!


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