VersaCommerce Team
Der Verkauf von Lebensmitteln über das Netz – man nennt das Online-Food – ist ein gigantischer und verlockender Markt. Doch es gibt nach wie vor massive Probleme für den E-Commerce, auch diesen Teilmarkt zu erobern. Eine der Schwierigkeiten: Die Frische der Ware
Rund 170 Milliarden Euro Jahresumsatz sind verlockend. Das ist das Volumen des Lebensmitteleinzelhandels in Deutschland. Wen wundert es da, dass kleine und große Player aus dem E-Commerce begehrliche Blicke auf diese Umsätze werfen? Diverse Lieferdienste für Online-Food existieren bereits seit geraumer Zeit. Amazon hat angekündigt, mit seinem Dienst Amazon fresh im Herbst in dieses Segment in Deutschland einzusteigen. Wir haben hier bereits ausführlich über die Stolpersteine berichtet, die dem E-Commerce beim Thema Online-Food noch im Weg liegen. Aktuelle Untersuchungen von Lebensmittel-Kontrolleuren und Öko-Test zeigen, dass es Onlinehändler bei der Lieferung von frischen Lebensmitteln mit der Einhaltung der Kühlvorschriften leider nicht so genau nehmen. Das kann gesundheitsgefährdend für die Kunden sein. Und es ist wegen des Vertrauensverlustes schädlich für die Zukunft des Segmentes Online-Food.
Das Chemische und Verterinäruntersuchungsamt (CVUA) hat stichprobenartig die Lieferung von frischem und tiefgekühltem Fisch getestet. Das hatte zuerst die zur Funke Medien Gruppe gehörende Westdeutsche Allgemeine Zeitung berichtet. Was sich zunächst einmal typisch deutsch anhört, hat einen sehr ernsten Hintergrund. Das CVUA hatte zehn Bestellungen für frischen, geräucherten und tiefgekühlten Fisch aufgegeben. Alle getesteten Händler verschickten diese besonders verderbliche Ware mit normalen Paketdiensten ohne den Einsatz von Kühlfahrzeugen. Der Zustand der gelieferten Ware war dem entsprechend. Acht von zehn Lieferungen erreichten die Testkäufer mit einer zu hohen Temperatur. Da halfen auch beigelegtes Trockeneis oder Kühlakkus nicht. "Eine Probe roch am Ankunftstag so auffällig, dass die Experten sie als verdorben einstuften", berichtete die WAZ. Da bekommt das Sprichwort "Der Fisch stinkt vom Kopf her" eine neue und sehr unappetitliche Bedeutung.
Durchwachsene Ergebnisse für Online-Food ergab auch eine Untersuchung der Zeitschrift Öko-Test. Nur zwei von sechs Onlinehändlern von Lebensmitteln erhielten die Note "gut". Der Knackpunkt auch hier: Die Ware kam um mehrere Grad zu warm an. Das muss nicht zwingend bedeuten, dass das Lebensmittel schon bei der Lieferung verdorben ist. Doch die Unterbrechung der Kühlkette mit Überschreitung der empfohlenen Lagertemperatur verkürzt die Haltbarkeit der Lebensmittel. Das kann für Konsumenten durchaus unangenehme gesundheitliche Folgen haben.
Die Frage, wie die Lieferung von online bestellten verderblichen Lebensmitteln richtig geht, ist einfach zu beantworten. Die Ware muss unter Einhaltung der vorgeschriebenen Temperaturen in geeigneten Verpackungen und dort, wo es erforderlich ist, mit Kühlfahrzeugen zeitnah ausgeliefert werden. Trockeneis nützt da, auch wenn dieser Sommer nicht gerade mit Höchsttemperaturen aufwartet, bei einer Paketlaufzeit von zwei oder mehr Tagen recht wenig. Das kostet natürlich Geld und schmälert die Marge. Ein Problem, das es zu lösen gilt.
Man kann über Amazon denken, was man möchte. Eines kann man dem Onlineriesen jedoch kaum vorwerfen: mangelnde Professionalität. Daher wird es spannend zu beobachten sein, wie die Strategen von Jeff Bezos in Seattle die beschriebenen Probleme angehen und lösen werden. Denn Amazon hat angekündigt, in diesem Herbst mit dem Service Amazon fresh in Deutschland zu starten. Und die alteingesessenen Lebensmittelhändler fürchten das.
Ausrutscher mit verdorben gelieferten Waren darf sich der Platzhirsch unter den Onlinehändlerndabei allerdings nicht leisten. Denn wer, wenn nicht Amazon, verfügt schon über die finanziellen Mittel, sich als vertrauenswürdiger Lieferant von frischen Lebensmitteln zu positionieren? Ob es möglich ist, dieses Segment auch dauerhaft profitabel zu besetzen, wird sich zeigen.
Wenn der Onlinehandel den lukrativen Markt des Lebensmittelhandels zumindest zu einem guten Teil für sich erobern möchte, ist er gut beraten, verantwortlich und vorausschauend zu agieren. Leichtfertige Lieferungen verderblicher Ware unter Missachtung der völlig zurecht strengen Vorschriften aus Kostengründen gefährden die Zukunft des E-Commerce in diesem Marktsegment. Sie zerstören möglicherweise dauerhaft das Vertrauen der Verbraucher in die zweifelsohne vorhandenen Vorteile, die Online-Food zu bieten hat. Und das möchten wir doch alle nicht, oder?
Denn wer hat schon wirklich Spaß daran, am Samstagvormittag den schweren Wocheneinkauf in Tüten vom Supermarkt in die eigenen vier Wände zu schleppen? Ich nicht. Und ihr?