VersaCommerce Team
Abmahnungen im E-Commerce treiben so manchen Online-Händler in den Ruin oder in den Wahnsinn. Oder beides. Und der Gesetzgeber schaut bei diesem Abmahnwahn tatenlos zu. SOS! SAVE OUR SHOPS! Ein Appell gegen den Abmahnwahnsinn
Eines gleich vorab: Ich bin kein Jurist. Das ist für mich, da ich mich „nur“ journalistisch mit dem E-Commerce befasse, lediglich ein klein wenig problematisch. Für Betreiber von Online-Shops wird der eigentlich erfreuliche Status eines Nicht-Juristen allerdings mehr und mehr zum ausgewachsenen Problem.
Warum? Weil von Technokraten in Berlin und Brüssel mit einem für deren Berufsstand höchst erstaunlichen Eifer beinahe monatlich eine neue Gesetzgebungs- oder Verordnungs-Sau durchs E-Commerce-Dorf getrieben wird. Es ist dann an den Online-Händlern, diese meist im allerfeinsten Juristendeutsch verfassten Regulierungsmonster binnen kurzer Fristen in ihren Shops umzusetzen. Das ist ohne kostspielige juristische Beratung in rechtssicherer Form oft gar nicht mehr möglich. Eine wunderschöne und höchst effektive Arbeitsbeschaffungsmaßnahme – für Juristen.
Doch damit nicht genug! Der wachsende Regulierungswust hat auch noch die evolutionäre Entstehung und Verbreitung einer Spezies massiv befördert, die alle Player im E-Commerce lieben, wie einen Skinhead mit drei unangeleinten Pitbulls in der Abenddämmerung im Stadtpark: Die Rede ist von Abmahn-Anwälten und -vereinen.
Ich bin sehr für einen fairen Wettbewerb. Wenn ein Webshop mit unlauteren Mitteln versucht, sich Vorteile gegenüber anderen Websellern zu verschaffen oder Verbraucher zu täuschen, dann muss dies abgemahnt, mit einer angemessenen Strafe belegt und abgestellt werden. Keine Frage.
Ich bin allerdings ebenso sehr dagegen, dass auf das Abmahnwesen spezialisierte Kanzleien und Abmahnvereine (welch eine perverse Wortschöpfung!) am ersten Tag nach Inkrafttreten einer rechtlichen Änderung mit elektronischen Mitteln massenhaft die AGB, Widerspruchsbelehrungen oder Impressi von Webshops scannen, um dann beim geringsten formalen Versäumnis flugs eine Abmahnung zu schreiben.
Diesen oft am E-Commerce ebenso unbeteiligten wie uninteressierten Kanzleien und Vereinen geht es nämlich keineswegs um einen fairen Wettbewerb unter den Online-Händlern. Sie vertreten häufig auch gar keinen solchen oder einen Verbraucher. Sie wollen nur eines: Kasse machen! Und das Geschäft scheint sehr lukrativ zu sein, wie die Anzahl dieser Tunichtgute impliziert.
Die so entstehenden Gebühren und Vertragsstrafen bedrohen oft genug die Existenz von Online-Händlern.
Leider ist es nun aber zu allem Überfluss auch noch so, dass das deutsche Wettbewerbsrecht mit einer mir unverständlichen Besonderheit dieser, wie ich meine, üblen Abmahnindustrie auch noch massiv Vorschub leistet. Das ist der so genannte „fliegende Gerichtsstand“.
Als Nicht-Jurist bemühe ich zur Erklärung dieses „fliegenden Gerichtsstandes“ sicherheitshalber einmal den bevh:
„Dieser bewirkt, dass der Abmahnende den Onlinehändler nicht an seinem Sitz verklagen muss, sondern an jedem Ort in Deutschland Klage erheben kann, an dem der Onlineshop aufgerufen werden kann. Faktisch kann sich der Abmahnende damit ein zuständiges Gericht aussuchen, von dem er weiß, dass es in vergleichbaren Fällen in seinem Interesse entschieden hat, oder etwa eines, das für den Händler besonders hohe Anreisekosten verursacht.“
Der deutsche Gesetzgeber ist sich seit Jahren dieser massiven wirtschaftlichen und personellen Belastung des Onlinehandels durch die deutsche Abmahnindustrie bewusst. Dennoch hat er bis heute keine ernsthafte Absicht gezeigt, dem zunehmenden Missbrauch dieses Rechtsinstituts wirksam abzuhelfen.
Vor Gericht und auf hoher See ist man bekanntlich in Gottes Hand. Daher bemühe ich für meinen Appell an Bundestag und Bundesrat den internationalen Seenotrettungsruf: SOS! Save Our Shops! Macht dem Abmahnwahn endlich ein Ende! Die Abschaffung des „fliegenden Gerichtsstandes“ wäre ein kleiner, aber wichtiger Schritt in diese Richtung. Weitere müssen folgen.