Dr. Katja Flinzner

On-Off-No-Line: Die Zukunft des Commerce

Online-, Offline-, Noline-Commerce? Schon lange wird prophezeit, dass die Unterscheidung zwischen On- und Offline irgendwann verschwinden wird, alleine deshalb, weil wir den Unterschied bald kaum mehr wahrnehmen. Und immer häufiger verschwindet das E- aus E-Commerce, denn egal, über welche Kanäle

On-Off-No-Line: Die Zukunft des Commerce

Nein, No-Line-Commerce ist kein Tippfehler, in dem zwei Buchstaben vertauscht wurden, sondern ein Begriff für den neuesten Ansatz im Mehrkanalvertrieb. Als konsequente Weiterführung von Multi-Channel, Omni-Channel oder Cross-Channel propagiert der No-Line-Commerce die Verschmelzung von Vertriebskanälen in ein einheitliches Einkaufserlebnis. Das Ziel: Dass der Kunde überhaupt nicht mehr merkt, welchen Kanal er gerade benutzt, sondern immer und überall dieselben Informationen und dieselben Möglichkeiten erhält. Ob am PC, auf dem Sofa, in der Bahn oder im Ladengeschäft.

Also alles No-Line statt On-Line? Der Begriff Online stammt aus einer Zeit, in der man Rechner tatsächlich auch dann als vollwertige Digital-Werkzeuge wahrgenommen hat, wenn sie keinen Internetzugang hatten. Als man es noch deutlich hören konnte, wenn man dann doch mit dem Internet verbunden war. Und als „online“ noch ein (ziemlich teurer) Ausnahmezustand und keine Selbstverständlichkeit war.


Immer und überall verknüpft

Heute ist online nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Nicht nur unser Rechner am Schreibtisch ist online, auch unser Handy, unser Tablet, unser Fernseher und immer häufiger sogar unser Kühlschrank oder unsere Heizung. Alles ist verknüpft – auf eine Weise, die wir kaum noch wahrnehmen und erst recht nicht mehr nachvollziehen können. Welche Daten unser Fernseher an YouTube schickt? Keine Ahnung. Wie genau das funktioniert, dass wir die Wohnung vom Büro aus schon mal vorheizen können, kurz bevor wir uns auf den Heimweg machen? Egal, Hauptsache es funktioniert.

Medienbruch als Normalzustand

Je weniger Gedanken wir uns darüber machen müssen, wie etwas funktioniert, umso zufriedener sind wir. Und dabei wechseln wir im Handumdrehen von einem Kanal in den anderen. Früher waren Medienbrüche etwas, was man im Informations-, Kommunikations- oder Vertriebsprozess um jeden Preis vermeiden wollte. Heute ist der Medienbruch zum Standard geworden. Im Laden stehen und gleichzeitig online Preise vergleichen? Smartphone und Barcode-Scanner machen es möglich – in Sekundenschnelle. Es fehlt ein Foto für die Geburtstagskarte? Schnell noch ausdrucken. Und den dazugehörigen Gutschein für den Lieblings-Online-Shop mal eben an der Supermarktkasse dazu kaufen. Die Grenzen zwischen den verschiedenen Medien und Kanälen werden immer durchlässiger und sind uns häufig gar nicht mehr so bewusst.

Stirbt der Online-Handel aus?

Dass wir immer und überall online sind und diesen Zustand als selbstverständlich wahrnehmen, wirkt sich auf vieles aus. Auf unsere Kommunikation, unsere Informationswege und natürlich auch auf unser Einkaufsverhalten. Dabei wollen wir uns gar nicht groß mit der Frage beschäftigen, wann wir eigentlich genau welchen Kanal benutzen. Wenn wir neue Schuhe online bestellen und sie im Laden abholen, nachdem wir sie dort nochmal anprobiert haben – haben wir dann online oder offline eingekauft? Wen interessiert’s?

Ist Online-Handel also ein Begriff der Vergangenheit? E-Commerce ein aussterbendes Konzept?

Natürlich nicht. Allerdings ist E-Commerce ein Konzept, das sich vom Rest des Commerce nicht länger trennen lässt. So wie die Kunden den Unterschied zwischen on- und offline eigentlich kaum noch mehr wahrnehmen (höchstens dann, wenn sie ungewollt offline sind und ihre Ansprüche aufgrund mangelnder Verknüpfung nicht wie gewohnt erfüllt werden), sollten allerdings die Grenzen auch in den Köpfen der Unternehmer langsam dann doch mal schwinden. Probleme entstehen nach wie vor dort, wo Silodenken vorherrscht: Wo die IT-Abteilung für den Online-Shop zuständig ist und Digitalisierung als eine rein technische Aufgabe betrachtet wird.

Erfolgreich dagegen sind Unternehmen, man kann es gar nicht oft genug sagen, die den Online-Handel lediglich als einen von vielen Kanälen begriffen haben und ihn noch dazu nicht auf ihren Online-Shop beschränken. Denn natürlich ist online viel mehr als das: Wenn deine Kunden gerade auf eBay, Instagram, Twitter oder Facebook sind, solltest du sie auch dort ansprechen. Schließlich verkauft Coca Cola seine Erfrischungsgetränke auch nicht nur im Supermarktregal, sondern auch an der Tankstelle, am Kiosk, im Restaurant und im Kino.

Den Kunden abholen

Verschiedene Kanäle zu bespielen, ist eine Sache. Sie erfolgreich miteinander zu verknüpfen aber eine ganz andere. Deshalb gehört die Zukunft den Unternehmen, die nicht kanalbezogen, sondern kundenzentriert denken. Die den Kunden überall dort abholen, wo er gerade ist. Die Kanäle nutzen, die ihre Kunden nutzen, und sie nahtlos ineinander übergehen lassen, wenn der Kunde sie wechselt. Und sich dabei genauso wenig wie er darum scheren, ob das nun on- oder offline ist.

Umschalten in den Köpfen

Wie das gehen soll? Dazu gehört natürlich eine übergreifende Digitalisierungsstrategie, die alle Kanäle als gleichwertig behandelt und sie gemäß ihren Stärken und Schwächen einsetzt. Vor allem aber gehört dazu ein Umdenken in den Köpfen. Denn solange Mitarbeiter im Ladengeschäft den Online-Shop als Konkurrenz betrachten, solange die Kassiererin keine Ahnung hat, wo der Click & Collect-Schalter ist und ob man den Geschenkgutschein dort einlösen kann, solange werden die Kunden euch immer eine Nasenlänge voraus sein – oder eben die Konkurrenz.


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