VersaCommerce Team
„Die letzte Meile“ hört sich ein wenig an wie ein Western mit John Wayne. Im E-Commerce steht die letzte Meile aber für die Aufgabe, Waren mit hohem Service an Kunden zu liefern. Was macht hier Sinn, was nicht
Die Ansprüche der Webshopper hinsichtlich der Lieferkonditionen sind atemberaubend. Sie erwarten eine zuverlässige und schnelle, immer öfter sogar sehr schnelle Lieferung ihrer Ware innerhalb weniger Stunden. Und das bitteschön natürlich kostenlos und innerhalb eines definierten Zeitfensters, so dass es nicht zu fehlgeschlagenen Zustellversuchen und damit zu erhöhtem Aufwand kommt, etwa der Abholung des Wunschpaketes in einer Postfiliale. Die Vermeidung von gescheiterten Zustellungen ist übrigens auch im Interesse der Versender, da jeder missglückte Zustellversuch – etwa, weil der Kunde an der vereinbarten Lieferadresse im avisierten Zeitfenster nicht angetroffen wurde – erhebliche Mehrkosten verursacht, die der Händler gemeinsam mit dem Logistiker zu tragen hat. Das drückt die Marge.
Die großflächige Verteilung der Waren haben die Logistiker durch hochmoderne und stark automatisierte Verteilzentren und immer mehr lokale Lager in Ballungsräumen mittlerweile gut im Griff. Die Achillesverse in der Logistik ist und bleibt die so genannte letzte Meile. Auf diesem Gebiet wird viel geforscht, investiert und experimentiert. Doch längst nicht alle Lösungsansätze sind so viel versprechend, wie die Kommunikationsabteilungen der Anbieter uns manchmal glauben machen wollen. Wir haben uns für euch einmal auf der letzten Meile umgeschaut.
Die Lieferung mit dem gelben, braunen oder weißen Kastenwagen ist die aktuell dominierende Form der Warenlogistik auf der letzten Meile. Und, auch wenn das jetzt bereits etwas die Spannung nehmen sollte, sie wird es meines Erachtens in absehbarer Zeit mangels massentauglicher und praktikabler Alternativen auch bleiben. Dabei hat sie einige signifikante Nachteile: Sie ist wenig umweltfreundlich, trägt zum Verkehrskollaps in Innenstädten bei, ist vergleichsweise kostenintensiv und produziert einen beträchtlichen Anteil an fehlgeschlagenen Zustellversuchen. Das ist ein wenig so wie die Aussage von Winston Churchill über die Demokratie als Staatsform: die schlechteste Option – außer allen anderen.
Um den Dauerstaus in so mancher Großstadt geschmeidig zu entgehen, werden Waren in Ballungszentren auch per Fahrrad ausgeliefert. Die Pluspunkte liegen auf der Hand: Die Methode ist umweltfreundlich, entschärft die Verkehrssituation und kann durchaus schnell sein. Die Pferdefüße sind aber ebenso offensichtlich: Die Ladekapazität eines Fahrrades ist so begrenzt wie auch die Reichweite. Diese Variante ist also geeignet für Blitzlieferungen in Ballungszentren mit angeschlossenen Warenlagern, mehr aber auch nicht. Ein schöner, aber kleiner Mosaikstein im großen Logistikbild.
Eine offensichtliche Schwierigkeit auf der letzten Meile ist es, die Ware und den Empfänger zeitgleich an einem vereinbarten Ort zusammen zu bringen. Im Vorfeld vereinbarte Zeitfenster für die Lieferung helfen zwar, schaffen das Problem aber nicht gänzlich aus der Welt. Abhilfe verspricht der Ansatz, den zwingenden zeitlichen Zusammenhang zwischen Lieferung und Anwesenheit des Empfängers aufzulösen, indem die Ware an einem definierten Ort sicher abzulegen, an dem der Kunde diese zu einem Zeitpunkt seiner Wahl abholt. Dazu gibt es Paketkästen und Paketboxen an größeren Wohneinheiten, im öffentlichen Raum (also auf der Straße) oder auch an Tankstellen sowie die Möglichkeit, Pakettaschen oder –boxen an der eigenen Wohnungstür aufzuhängen. Diese Variante funktioniert, hat aber auch den einen oder anderen Pferdefuß.
Viele Kunden haben im Online-Handel einfach das Grundverständnis, dass es selbstverständlich dazu gehört, dass die Ware an die eigene Türe geliefert wird. Sie haben schlicht keine Lust, eine Packstation oder Tankstelle aufzusuchen, um ihr Paket abzuholen. „Da kann ich ja gleich ins Ladengeschäft gehen“, lautet eine häufige, wenn auch nicht ganz faire Aussage. Die Pakettaschen an der Wohnungstür kosten Geld: entweder als Kaufpreis oder als Mietgebühr. Das widerspricht der Kostenlosmentalität vieler Webshopper.
Eine Variante dieser Lieferform in Abwesenheit ist die Ablage der Ware im Kofferraum des Autos des Kunden. Hierzu gibt es diverse Pilotprojekte. Nette Idee, aber alles andere als massentauglich und – mit Verlaub – technisch zu aufwändig und sicherheitstechnisch mehr als bedenklich.
Viel Presse-Tam-Tam gibt es regelmäßig dann, wenn es um die Überwindung der letzten Liefermeile per Drohne oder Roboter geht. Das kann eigentlich nur der Tatsache geschuldet sein, dass die entsprechenden Redakteure sich noch nicht endgültig von ihren pubertären Star Wars- oder Star-Trek-Euphorien gelöst haben. Drohnen müssen nach geltender Rechtslage in Deutschland von einem Piloten gesteuert werden, der sich in Sichtweite des Fluggerätes befindet. Noch Fragen? Dann kann der Drohnenpilot das Paket auch gleich selber unter den Arm nehmen.
Und die kleinen, niedlichen Roboter, die sich mit einem Paketchen beladen wacker ihren Weg über die Bürgersteige deutscher Innenstädte bahnen, können doch nun wirklich kein ernst gemeinter Beitrag zur Überwindung der letzten Meile sein.
Über die Utopie von fliegenden Warenlagern mit Drohnenlieferung habe ich an anderer Stelle wohl bereits alles gesagt.
Unter dem Strich wird auf absehbare Zeit der Stein der Weisen auf der letzten Meile unentdeckt bleiben. Wenn ein Hipster, der zufällig einen Wagen der Marke fährt, bei der Lieferung in den Kofferraum möglich ist, das cool findet, dann bitteschön. Das ist aber kaum mehr als ein netter Nischengag.
Die Paketkästen der verschiedenen beschriebenen Sorten bilden sicher die praktikabelste und massentauglichste Ergänzung zu der klassischen Lieferung mit dem Paketauto.
Die am nächsten liegende Lösung ist meiner Ansicht nach aber die Vereinbarung möglichst enger Lieferzeitfenster und deren Einhaltung mit Warenübergabe an vorher vereinbarten, durchaus flexiblen Orten, sei es Büro oder Privatadresse. Und, darüber sollte die Branche vielleicht auch einmal nachdenken: Nein sagen, wenn etwas nicht möglich ist.
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