VersaCommerce Team
Das Thema geht uns alle an: die barrierefrei Gestaltung von Webseiten und damit auch Online-Shops. Die europaweite gesetzliche Verpflichtung zu dieser Barrierefreiheit ist nur noch eine Frage der Zeit. Wir wollen daher in einer Artikelreihe für euch ausleuchten, worum es dabei im Detail überhaupt
Pläne der EU, Online-Shops verpflichtend barrierefrei für Menschen mit Einschränkungen wie etwa Blinde zu gestalten, bedeuten für den E-Commerce eine Kostenwelle.
Bedrohlich dunkle Wolken bauen sich am Horizont des E-Commerce-Himmels auf, wenn man derzeit Richtung EU in Brüssel schaut. Überlegungen zu einer EU-weiten Verpflichtung, Online-Shops zur barrierefreien Nutzung auch durch Menschen mit Einschränkungen – also etwas blinde User – nachzurüsten, würden zu Investitionskosten in Milliardenhöhe allein in Deutschland führen. Besonders betroffen wären naturgemäß kleinere und weniger finanzstarke Online-Händler. Die mögliche Folge wäre mit einiger Sicherheit eine weitere Konzentration im E-Commerce durch das finanzielle Aus eben dieser Anbietergruppe. Dennoch bedarf das Thema wegen der berechtigten Interessen der in Rede stehenden Menschen mit Einschränkungen natürlich einer vorsichtigen und vor allem differenzierten Betrachtung.
Der E-Commerce ist längst alles andere als eine bloße Randnotiz im Gesamtwerk des Handels. Möglicherweise werden die Umsätze im Online-Handel in Deutschland in diesem Jahr erstmalig einen Anteil von zehn Prozent am gesamten Einzelhandel erreichen. Und die Tendenz ist erkennbar eher steigend als rückläufig. Das Interesse von Menschen mit Einschränkungen, am Handel über diesen wachsenden und besonders attraktiven Kanal teilnehmen zu können, ist ohne Frage berechtigt. Und die Integration dieser bislang mehr oder weniger ausgeschlossenen Kundengruppe ist natürlich auch eine gewisse Chance für den E-Commerce. Diskussionswürdig ist der Weg zum Ziel Barrierefreiheit und vor allem dessen Finanzierung.
Webseiten im Allgemeinen und Online-Shops im Besonderen gelten nach vorherrschender Meinung dann als barrierefrei, wenn sie für Behinderte ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind. Das bedeutet zum Beispiel, dass Inhalte für Menschen mit Sehbehinderung alternativ dargestellt werden müssen, etwa dadurch, dass sie akustisch ausgelesen werden.
Der Hintergrund: Artikel 9 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen legt der EU und ihren Mitgliedstaaten die Verpflichtung auf, mittels geeigneter Maßnahmen den Menschen mit Behinderungen einen gleichwertigen barrierefreien Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien, einschließlich des Internets, zu ermöglichen. Die EU-Kommission setzt sich für die Sicherstellung eines barrierefreien Zugangs zu ihren Websites und mobilen Apps ein und hat zu diesem Zweck hohe internationale Standards festgelegt. Diese Standards finden ihren Niederschlag in dem Leitfaden der Kommission für die Veröffentlichung von Inhalten im Internet, dem Leitfaden für Informationsanbieter.
Mit anderen Worten: Barrierefreie Online-Shops werden über kurz oder lang in der EU verpflichtend. Österreich ist vorgeprescht und hat den dortigen Online-Händlern bereits zum 1. Januar 2016 gesetzlich auferlegt, ihre Online-Shops barrierefrei zu gestalten. Wann diese Auflage auch in Deutschland und den anderen Mitgliedstaaten der EU umgesetzt wird, ist lediglich eine Frage der Zeit. Und das wird erhebliche Konsequenzen für die Shopbetreiber haben.
Die Wirtschaftskammer Österreich hat eine Checkliste für barrierefreie Websites erarbeitet. Es gibt dort drei Stufen A (minimale Anforderungen), AA (mittlere Anforderung), AAA (maximale Anforderungen).
„Sollten die geplanten Anforderungen tatsächlich für den Online-Handel gelten, müssen Händler in Deutschland mit massiven Belastungen rechnen“, so der stellvertretende HDE-Hauptgeschäftsführer Stephan Tromp. Beispielsweise würde sich die Zeit für das Einstellen neuer Produkte durch die neuen Anforderungen glatt verdoppeln. Insgesamt lägen die Folgekosten im deutschen Online-Handel bei über drei Milliarden Euro. Für mehr Bürokratie sorgen zusätzlich neue Melde- und Informationspflichten.
„Die teuren EU-Pläne erschweren insbesondere jungen, kleinen und mittelständischen Händlern den Einstieg in den E-Commerce. Außerdem gefährden die strengen Vorgaben die internationale Wettbewerbsfähigkeit der in der EU ansässigen Unternehmen“, so Tromp weiter.
Wenig betrachtet der Deutsche Behindertenrat in einer Stellungnahme vom 4. Mai 2017 das Thema aus einer gänzlich anderen Perspektive und fordert, „das Menschenrecht auf Barrierefreiheit endlich umzusetzen“. Diese Sichtweise ist mindestens ebenso berechtigt wie die des HDE.
Bevor wir in weiteren Folgen unserer kleinen Serie zur Barrierefreiheit im Internet diverse Praktiker zu Wort kommen lassen werden, wüssten wir natürlich, wie ihr über die bevorstehende Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung eurer Internetseiten und Online-Shops denkt. Haltet ihr das Vorhaben im Sinne der Integration von Menschen mit Benachteiligungen für berechtigt und angemessen? Oder denkt ihr, die Pläne sind überzogen? Sehr ihr barrierefreie Webshops eher als Chance oder als Kostenfaktor? Bitte teilt uns eure Ansichten mit. Vielen Dank.